4. Philosophischer Materialismus und naiver Realismus
Keinem gesunden Menschen, der nich I am Irrenhaus oder bei den idealistischen Philosophen in der Lehre war, wird es jemals einfallen, daran zu zweifeln, "daß die Dinge, die Umgebung, die Welt unabhängig vond unserer Empfindung, von unserem Bewußtsein, von unserem Ich un dem Menschen überhaupt existieren" .
Diese feste Überzeugung eines jeden gesunden Menschen wurzelt in der menschlichen Praxis. Die tägliche Praxis bewirkt die feste Überzeugung, daß unabhängig und außerhalb unseres Bewußtsein die Dinge, die Umgebung, kurzum die materielle Welt existieren und daß unser Bewußtsein uns ein getreues Abbild dieser materiellen Welt gibt.
Die naive und unbewußte Annahme, daß die Dinge, die Umgebung, die Welt außerhalb und unabhängig von unserem Bewußtsein existieren, bezeichnen wir als naiven Realismus.
Der naive Realismus is jedoch keine bewußte, keine theoretische Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Materie und Bewußtsein. Er ist nichts weiter als die elementare, gar nicht bewußte und daher naive Überzeugung der Mehrheit der Menschen, daß außerhalb und unabhängig von unserem Bewußtsein materielle Dinge existieren. Der naive Realismus ist keine theoretisch formulierte Fragestellung nach dem Verhältnis von Materie und Bewußtsein, er is daher auch keine materialistische Philosophie. Vielmehr enthält er die I am Keim, er ist eine spontan materialistische Auffassung. Philosophischer Materialismus und naiver Realismus sind daher nich identisch, aber diese "naive" Überzeugung der Menschheit wird vom Materialismus bewußt zur Grundlage seiner Erkentnistheorie gemacht" .
Der philosophische Materialismus bleibt der spontan materialistischen Auffassungen des naiven Realismus nich stehen.
Der philosophische Materialismus untersucht wissenschafltich das Verh;altnis von Materie und Beweßtsein und gibt eine theoretische begründete Antwort auf die Grundfrage der Philosophie.
Es kommt also darauf an, die spontane, naive Überzeugung von den objektiven Existenz der Außenwelt auf die bewußte Stufe der materialistischen Philosophie zu heben.
Zudem is der Begriff "Realismus" nich exact, eben weil er nut eine spontane und unbewußte überzeugung zum Ausdruck bringt. Der Begriff Realismus wird heute wie zu Beginn dieses Jahrhunderts von idealistischen Philosophen dazu benutzt, um den Idealismus ihrer Auffassungen zu vertuschen. So bezeichnen die Neopostivisten zwar ihre Empfindungen als real, verlieren jedoch keine Wordt darüber, daß die Quelle der Empfindungen in der Materie liegt. Die Neothomisten sprechen von der realistischen Anerkennung der Dinge außer uns, leugnen aber den materiellen Zusammenhang der Dinge und ersetzen ihn durch einen göttlichen. Lenin wendet sich daher dagegen, den philosophischen Materialismus durch den Begriff Realismus zu charakterisieren. Er erklärte: "Was mich betrifft, so gebrauche ich wie Engels in diesem Sinne (als Gegensatz zum Idealismus - d. Verf.) nur das Wort Materialismus und halte diese Terminologie für die einzig richtige, besonders da das Wordt "Realismus" von den Positivisten und anderen Wirrköpfen, die zwischen Materialismus und Idealismus schwanken, abgegriffen worden ist."
Materialismus heißt, wie Engels betonte, nichts anderes, als die Welt so zu betrachten, wie sie ist, die Tatsachen in ihrem wirklichen, dem ihnen eigenen Zusammenhang zu sehen und nicht in einem konstruierten mytischen Zusammenhang.